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Tradition im Wandel: Warum Backen auch Lifestyle ist

Tradition im Wandel: Warum Backen auch Lifestyle ist

An einem verregneten Frühlingsmorgen trudeln die ersten Gäste in der Backwelt in Tamsweg ein, stöbern durch die Regale mit Backzubehör und Büchern oder füllen sich verschiedene Mehlsorten aus Behältern an der Wand ab. Menschen sitzen plaudernd an den Holztischen, die mit Wildblumensträußen dekoriert sind. Eine gut gelaunte Mitarbeiterin serviert Milchkaffee und eine Erdbeer-Biskuitroulade – frisch gebacken von Chefin Christina Bauer. Die Österreicherin betreibt den Blog „Backen mit Christina“, schreibt Backbücher und führt gleichzeitig mit ihrem Mann einen Bauernhof im Salzburger Land.

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Bauernbrotlaibe, Langsemmeln, Hefeteigzöpfe – Christina Bauer liebt das Backen und das Austüfteln von Rezepten. Vor einigen Jahren fing sie an, für die Urlaubsgäste auf dem Bauernhof morgens Brötchen zu kneten. Schließlich gab sie Backkurse in der heimischen Küche. 2021 eröffnete sie die Backwelt, eine Kombination aus Café, Backstube und Ladengeschäft. „Es ist ein Ort entstanden, an dem die Leute sich wohlfühlen und kein Stress herrscht. Alle haben Zeit und freuen sich darüber, dass sie hier mehr über das Backen erfahren können“, beschreibt Bauer ihre Geschäftsidee.

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Deutsche Brotkultur ist immaterielles Kulturerbe

Mehrmals wöchentlich lädt die Chefin zusammen mit ihrem 23-köpfigen Team zu Betriebsführungen ein. Das Highlight ist das gemeinsame Backen in ihrer großen Backstube – inklusive beeindruckendem Ausblick durchs Panoramafenster auf die österreichische Bergwelt. Hinterher wird das Ergebnis aus dem Ofen natürlich verspeist. Wer mag, kann aber auch ausgiebig frühstücken, etwa einen Briocheknopf, Marmelade, Käse – alles von Bauern und Lieferanten direkt aus dem Lungau. „Auch das Mehl, das wir hier unverpackt verkaufen, stammt aus österreichischem Getreide“, betont Bauer.

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Das Konzept, der Kundschaft das Zusehen beim Teigkneten zu ermöglichen, kommt an. Die Liebe zum frischen Gebäckstück ist groß. Österreich, aber vor allem Deutschland, ist für seine Brotvielfalt weltbekannt: Mit rund 3200 eingetragenen Sorten erklärte die Unesco 2014 die deutsche Brotkultur zum immateriellen Kulturerbe. Besonders beliebt ist Vollkornbrot. Wer im Ausland arbeitet oder längere Zeit verreist ist, vermisst schon mal die nahrhafte Alternative zum Weizenbrot. So klagte schon der Schriftsteller Bertolt Brecht im Jahr 1941 während seines Exils in den USA in seinem Tagebuch: „Es gibt kein richtiges Brot in den Staaten, und ich liebe Brot.“

Gegentrend zum Billigbrot

Doch was ist heute „richtiges“ Brot? Fakt ist, dass sich die Brotkultur verändert: Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks sank die Zahl der Handwerksbäckereien in den vergangenen 60 Jahren von rund 55.000 im alten Bundesgebiet auf 9607 Betriebe, die heute bundesweit 45000 Verkaufsstellen beliefern.

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Eine jahrhundertealte Tradition befindet sich im Wandel. Viele alteingesessene Bäckerdynastien müssen aufgeben, weil sie vor industriell gefertigtem Brot aus dem Supermarkt oder Backstationen kapitulieren. Doch vor Läden wie der Sofi Bakery in Berlin, der reinen Sauerteigbäckerei Brotique in Stuttgart, Till & Brot, dem Geschäft des Brot-Sommeliers Tillmann Gurka in Freiburg oder der Bäckerei und Patisserie Liesbeth am Zollhafen in Mainz bilden sich lange Schlangen. Es handelt sich um Geschäfte, in denen hochwertige, in der Regel regionale Zutaten in Handarbeit verarbeitet werden und in denen man die Backwaren in modernem Ambiente wie kunstvolle Objekte anbietet. Für diesen Gegentrend zum Billigbrot muss man tiefer in die Tasche greifen, meist wird Bioqualität geboten.

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Schlangestehen mit „pre-ordern“ vorbeugen

Verkauft wird gleichzeitig ein hipper Lifestyle, der übers tägliche Brot hinausgeht. Auf der Website der Sofi Bakery etwa gibt es T-Shirts und Taschen mit aufgedrucktem Firmennamen zu erstehen, ebenso Keramikteller und Olivenöl. Und um dem Schlangestehen vor der Ladentür vorzubeugen, kann man jetzt seine „Semla Box“ – ein typisch schwedischer Kardamom-Marzipan-Sahne-Bun – und sein „Berlin Loaf“, das Hausbrot, im Internet „pre-ordern“, also vorbestellen. Der englische Begriff klingt freilich eher nach Luxusartikel. Kein Zufall: Hinter der exklusiven Berliner Brotmanufaktur steckt der dänische Koch und Gastronom Frederik Bille Brahe, in dessen Kopenhagener Restaurants gern die internationale Modewelt speist, etwa seine Schwester, die bekannte Schmuckdesignern Sophie Bille Brahe, und seine Frau, Topmodel Caroline Brasch Nielsen.

Klar, dass auch die von Interior-Designern gestalteten minimalistisch eingerichteten rot- und sandfarbenen Räume der Sofi Bakery aussehen wie aus einem Wohnmagazin. Auch die ästhetisch präsentierten Waren auf Instagram finden mit mehr als 45.000 Followern enormen Zuspruch.

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Viele backen selbst zu Hause

Das haben die neuen Kultbäckereien gemeinsam: Sie erreichen eine junge Generation von Brotkonsumenten auch über Marketing in den sozialen Medien und haben eine große Reichweite. Im Fall der Österreicherin Christina Bauer sind es rund 160.000 Menschen, die regelmäßig über Neues aus der Backstube informiert werden wollen.

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Viele haben genug von billigem Industriebrot und backen oft auch selbst gern zu Hause. „Teig unter den Handflächen spüren, Mehl von den Fingerspitzen rieseln lassen, an knusperfrischem Brot schnuppern – wer das Brotbacken einmal erlebt hat, kann nicht mehr genug davon bekommen“, so beschreibt es Christina Bauer in einem ihrer Backbücher. In ihrem Café erzählt sie, dass es bei ihr zu Hause selbstverständlich auch nur Selbstgebackenes gibt: „Ein klassisches Mischbrot, das ist unser Familienbrot, das nie ausgehen darf.“

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