München – Berlin. Das ist immer schon eine uralte Hassliebe, die auch der so nett dreinschauende Berliner Bronzebär an der A9 nicht befrieden kann. Man lästert gerne und viel übereinander. Die Münchner machen sich in schöner Regelmäßigkeit darüber lustig, dass nicht nur der Berliner Flughafenbau nicht klappte, sondern auch vieles andere nicht funktioniert. Eine Wahl versemmelt, Pannen bei der Wiederholung: Im Süden sorgt so etwas gerne für süffisanten Spott, was die Berliner wiederum nicht anficht.
Was kümmert einen schon die Meinung der provinziellen Seppel an der Isar, die schon seit Jahrzehnten für viel Geld in engen Kaschemmen hausen müssen, während man in der Hauptstadt lange Zeit quasi für lau in einer 150-Quadratmeter-Altbauwohnung residierte? Und schaut nicht die ganze Welt das ganze Jahr über auf Berlin, während München höchstens zum Oktoberfest oder, wie kürzlich, zur Siko ein bisschen internationale Aufmerksamkeit bekommt?
Hat man an der Spree nicht mehr Sternelokale, ein glamouröseres Filmfest, die cooleren Clubs, die bärtigeren Hipster? Eben! Was den Lifestyle angeht, schlägt die Bundes- die Landeshauptstadt schon lange um Längen. Doch das ändert sich gerade. Weil Hassliebe ja auch irgendwie Liebe ist, sind beide Städte inzwischen mit Eifer dabei, sich gegenseitig anzunähern.
München müht sich mit der zweiten Stammstrecke, die Bauzeit des Flughafens BER um Jahre zu toppen. Was sind schon lächerliche 14 Jahre, wenn man sich auch 20 Jahre Zeit nehmen kann.
Im Gegenzug zahlen immer mehr Berliner inzwischen Münchner Mieten. In der Friedrichstraße haben sie vor Kurzem lustige bunte Holzbänke aufgestellt, die an die improvisierten Schanigärten Münchens erinnern. Die Münchner S-Bahn hat inzwischen ihr Berliner Pendant in Sachen Unpünktlichkeit übertroffen. Und in der Bundesligatabelle hat der FC Bayern nun sogar versucht, Union Berlin den Vortritt zu lassen, worauf die Hauptstädter aber vorerst höflich verzichteten.
Spätestens bei diesem Punkt fragt man sich, ob es die beiden Städte nicht ein bisschen übertreiben mit ihrem Kuschelkurs.
Als vor einiger Zeit eine Bekannte aus Berlin zu Besuch war, einen besonderen Münchner Ort sehen wolle, man sie dann zum Bahnwärter Thiel im Viehhof führte und sie die vielen Graffiti und Vollbärte sah, fühlte sie sich allzu sehr an zu Hause erinnert. Als direkte Berlinerin beließ sie es nicht dabei, dezent die Augen zu verdrehen, sondern meinte: “Ich dachte, wir gehen mal wohin, wo’s schön ist.”