trend:
Sie sind Anfang 20, leiten eine Strategie- und Marketingagentur in Zürich und sind bald zum zweiten Mal Mutter. Was ist typisch “Gen Z” an Ihnen?
Yaël Meier:
In jedem Fall meine Handyzeit. Wie viele in meiner Generation kann ich mir ein Leben ohne Smartphone nicht vorstellen. Ich habe von klein auf gelernt, mit den neuen Technologien umzugehen, und verwende sie intuitiv. Social Media spielen für mich und meine Generation eine wichtige Rolle. Wir unterscheiden nicht zwischen dem realen und dem virtuellen Leben. Wir haben Onlinefreunde, die wir noch nie getroffen haben, trotzdem sehen wir sie als echte Freunde an. Und so gibt es viele Parallelen in unserem Leben, die dazu führen, dass Unternehmen uns anders ansprechen müssen, als sie es gewohnt sind.
Wann haben Sie das erste Mal gemerkt, dass die Unternehmen Schwierigkeiten haben, Ihre Generation zu verstehen?
Das war vor etwas mehr als drei Jahren. Damals waren Jo Dietrich, mein späterer Mitgründer, und ich in Konzernen angestellt. Wir wurden da von vielen Seiten gefragt, ob wir ihnen erklären könnten, wie die jungen Leute ticken. Da ist uns der Gap zwischen den Generationen aufgefallen. Als wir dann tiefer reingegangen sind, haben wir unzählige Produkte oder Kampagnen gesehen, die die junge Zielgruppe ansprechen sollten, aber total danebenschossen. Wir haben uns gefragt, wie es sein kann, dass so viel Geld in den Sand gesetzt wird, und begonnen, nach Gründen zu suchen.
Was ist Ihnen aufgefallen?
Uns ist aufgefallen, dass in den Teams, die ein Produkt oder eine Kampagne für die Gen Z entwickeln, niemand aus der Zielgruppe vertreten ist. Die jüngste Person am Tisch ist über 30. Das kann nicht funktionieren.
Die Unternehmen müssen also umsteuern…
Das Problem in der Wirtschaft ist, dass junge Leute systematisch nicht gehört werden. Es herrscht immer noch das Selbstverständnis: Wenn du jung bist, musst du dich erst beweisen, bevor du mitreden kannst. Das können sich Unternehmen nicht mehr leisten, wenn sie junge Menschen erreichen wollen – als Kund:innen oder Mitarbeitende. Deshalb sagen wir: “Sprecht mit uns, nicht über uns!”
Die Gen Z hinterfragt die bestehenden Modelle und stellt die Arbeitswelt auf den Kopf.
Sie sagen auch: “Wer uns erreichen will, muss dorthin gehen, wo wir sind.”
Genau, denn über klassische Kanäle sind wir nicht mehr zu gewinnen. Von den heute Zwölf- bis 28-Jährigen sind rund 85 Prozent der Gen Z auf Social Media aktiv. Das ist auch fürs Employer Branding relevant. Viele Unternehmen bieten schon einiges an, was der jungen Generation beim Berufseinstieg wichtig ist: ein gutes Arbeitsklima, ein interessanter Job und Jobsicherheit. Aber sie tragen dies noch nicht dorthin, wo wir sind, also auf Social Media wie LinkedIn und TikTok. Das sind extrem spannende Plattformen, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren und zu rekrutieren.
Dazu beraten Sie Ikea, Vodafone und andere. Was haben die noch nicht verstanden?
LinkedIn ist für viele Unternehmen bereits einer der relevantesten Rekrutierungskanäle. Trotzdem wird ein großes Potenzial der Plattform nicht genutzt: die organische Reichweite. Stellen Sie sich mal vor: Bei einem Konzern schreiben alle jungen Mitarbeiter darüber, wie toll es ist, für das Unternehmen zu arbeiten, und warum andere sich auch da bewerben sollen. Das ist wie “Mund zu Mund”-Propaganda, aber mit unglaublicher Reichweite – und generiert Zahlen, die ohne Werbebudget erreicht werden. Wir unterstützen beim Aufbau der Profile, gehen aber noch einen Schritt weiter und machen messbar, wie sich die erhöhte Aktivität auf solchen Plattformen auf Bewerbungen auswirkt. Dabei arbeiten wir auch mit Unternehmen wie L’Oréal oder einem der Big Four zusammen.
Ihre Generation hat nicht den besten Ruf, was die Arbeitsmoral betrifft. Sie gilt als fordernd, aber faul. Zu Recht?
Es ist eine Generation, die wie keine zuvor alle bestehenden Modelle hinterfragt und die Arbeitswelt auf den Kopf stellt. Denn man darf nicht vergessen, dass der Fachkräftemangel uns in die Lage versetzt, Forderungen stellen zu können. Die Arbeitswelt wird in den nächsten Jahren einen Wandel durchleben. Berufseinsteiger kennen den Status quo der jetzigen Arbeitskultur nicht, und das führt zu Reibungen. Ein Beispiel: Wollte man früher ambitioniert wirken, war man als Erster im Büro und ist als Letzter gegangen. Junge haben ein anderes Verständnis von Leistung. Warum früher kommen und länger bleiben? Hier geht es auch um Vertrauen.
Was ist wichtiger, ein gutes Gehalt oder Work-Life-Balance?
Beides! Denn über die sozialen Medien wird uns ein Lebensstil vorgelebt, der kostspielig ist. Damit wir uns den auch ermöglichen können, müssen wir genug verdienen, aber genauso die Zeit dafür haben.
Aber Freizeit ist schon sehr wichtig.
Das Thema Work-Life-Balance haben die Millennials geprägt. Wir sprechen heute von Work-Life-Blend, also der zunehmenden Vermischung von Berufs-und Privatleben. Wir definieren uns zum Beispiel auch über unseren Job, er gehört zum Lifestyle. Wenn mein Lebensgefährte und ich im Rahmen von Workations nach Lissabon fahren und Fotos posten können, kann das auf Talente attraktiver wirken, als etwas mehr Geld in der Tasche zu haben.
Ihr Plan ist, künftig auch als Aufsichtsrätin tätig zu sein. Schon Angebote bekommen?
Das Durchschnittsalter in den Schweizer Verwaltungsräten liegt bei knapp 60 Jahren. Ein Unternehmen, das die junge Zielgruppe erreichen oder junge Talente gewinnen will, muss sie in strategische Entscheidungen einbinden. Zum Beispiel wäre ein Mandat denkbar, mit dem Ziel, eine Antwort für den Fachkräftemangel zu finden. In Zukunft wird es ganz normal sein, dass auch junge Menschen in solchen Gremien sitzen und ihr Wissen einbringen.
Zur Person
Yaël Meier (* 8. Mai 2000 in Luzern) ist Co-Gründerin der Strategie- und Marketingagentur Zeam in Zürich. Sie berät Unternehmen wie Vodafone, Ikea, L’Oréal oder Red Bull, wie die Generation Z zu gewinnen wäre.
Das Interview ist der trend.PREMIUM Ausgabe vom 24.2.2023 entnommen.