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Ein Leben mit Mops ist möglich, aber eine Qual für den Hund

Ein Leben mit Mops ist möglich, aber eine Qual für den Hund

Potsdam. Um auf Qualzucht bei Tieren aufmerksam zu machen, haben Brandenburgs Landestierschutzbeauftragte Anne Zinke, das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales und der Verein Qualzucht-Evidenz Netzwerk e. V. die Kampagne „Lifestyle oder Lebewesen“ gestartet. postkartengoße Flyer und eine Webseite klären darüber auf, welche Leiden und programmierte Erkrankungen bestimmte angezüchtete Merkmale bei Haus- und Nutztieren mit sich bringen. Tierfreunde solle so eine bessere Entscheidung bei der Anschaffung eines Haustiers ermöglicht werden.

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Was ist eine Qualzucht?

Laut der promovierten Fachtierärztin für Tierschutz Zinke, ist eine Qualzucht eine Verpaarung von Tieren, die bei den Nachkommen Merkmale erzeugt, die zu Schmerzen, Krankheiten und Verhaltensstörungen führt. Bekannt sind etwa die kurzen Nasen bei Möpsen, die schwere Atemprobleme der Tiere und unter bestimmten Umständen sogar einen Erstickungstod als Folge haben können.

Inzwischen sind etwa 80 anzüchtbare Merkmale bekannt, die Tieren schaden. Darunter gibt es auch versteckte Merkmale wie Hüftdysplasien oder Krankheitsanfälligkeit. Qualzucht betrifft nicht nur Hunde und Katzen, sondern auch Nutz- und Kleintiere. Sogar Fische sind betroffen. So wurden Goldfische ohne Rückenflossen gezüchtet.

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Seit 1986 sind Qualzuchten laut Tierschutzgesetz eigentlich verboten. Sie entstehen aber immer wieder neu, weil nicht alle Merkmale, die zu Schäden führen können, in den Merkmalskatalog aufgenommen sind. Zum Beispiel erscheint der Australian Shepherd äußerlich nicht als Qualzucht, einige Tiere weisen aber inzwischen genetische Defekte auf, die zum Beispiel zu Epilepsie, Hüftgelenks- und Ellenbogendysplasie, Autoimmunkrankheiten, Gebissfehler oder Herzproblemen führen können.

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Warum eine Kampagne?

„Wir sehen immer wieder Tiere mit solchen Merkmalen“, sagt Zinke. Das Problem sei, dass sie von den Interessenten als besonders attraktiv wahrgenommen werden oder schlichtweg modisch seien. So entsprechen die kurzen Mopsnasen dem Kindchenschema und erscheinen niedlich. Sehr große Tiere wie Doggen sind imposant, leben aber nicht lange, da sie oft an Magendrehungen und Herzproblemen eingehen. Ein riesiges Problem sind laut Zinke Soziale Medien, wo spezielle Züchtungen von „Petfluencern“ vorgestellt werden, ohne Rücksicht auf das Wohlbefinden des Tieres. Aber auch klassische Medien wie das Fernsehen führen mit Filmen wie „Ein Mops zum Verlieben“ in die Irre.

Nicht zuletzt darf auch der Komiker Loriot mit seinen Möpsen als Influencer gelten. Humoristisch lobte er die Rasse. Dass er seine eigenen Möpse wegen ihrer Atemprobleme teilweise zum Gassigehen tragen musste, brachte er nicht an die Öffentlichkeit. Die Nachfrage der Interessenten schaffe einen Markt. Der Tierpathologe Achim Gruber von der Freien Universität (FU) Berlin, der ein Buch zum Thema verfasst hat, weiß, dass die Interessenten sich für alles Mögliche, kaum aber für die Gesundheit der Tiere interessieren.

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Worunter leiden die Tiere?

Hunde mit kurzer Nase wie Möpse oder Pekinesen leiden vor allem unter Atemnot. Der Qualzuchtexperte Achim Gruber von der Freien Universität (FU) Berlin sagt: „Wir bekommen jeden Sommer verendete Möpse auf den Tisch.“ Besitzer ließen die Tiere bei über 30 Grad im Freien spielen, bis diese plötzlich zusammenbrechen und verenden. Hinzu kommt bei diesen Rassen oft hervorquellende Augen, die verletzungsgefährdet sind und sich oft entzünden.

Hunde mit faltiger Haut sind zudem anfälliger für Hautentzündungen und Bakterienbefall. Krankheitsanfällig sind inzwischen auch Bernhardiner, weil sie immer größer gezüchtet wurden – nun leiden sie immer öfter an Hüftdysplasie und Knochenkrebs.

Die fast haarlosen Sphynx-Katzen sind empfindlich gegen Sonnenstrahlen. Exemplare ohne Tasthaare gelten seit 1999 als Qualzuchten. Das bleibt nicht folgenlos: 2015 wurde eine Züchterin vom Verwaltungsgericht Berlin aufgefordert, ihren Zuchtkater wie vom Veterinäramt angeordnet zu kastrieren. Auf Leistung getrimmte Milchkühe haben übergroße Euter, die ihnen Schwierigkeiten beim Laufen und Liegen bereiten und sich oft entzünden. Legehennen weisen Brustbeindeformationen und Erkrankung der Legeorgane auf. Dass Qualzuchten irgendwann beim Tierarzt landen, ist laut Gruber „vorprogrammiert“.

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Was kann man tun?

„Den wesentlichen Hebel hat der Nutzer“, sagt Zinke. Wenn der Markt durch informierte Halter wegfalle, gebe es viel weniger Anreize für die Züchter, entsprechende Tiere zu produzieren. Die Kampagne stelle neben den zunächst hauptsächlich in Tierarztpraxen ausliegenden Flyern auch die Webseite „www.lifestyle-oder-lebewesen.de“ zur Verfügung. Diese informiert allgemein über Qualzuchten und über bestimmte Merkmale, die den betroffenen Tieren Qualen bereiten und mitunter tödlich sein können.

Die „Qualzucht-datenbank.eu“ listet nicht nur Qualzuchtarten, sondern auch eine Vielzahl sichtbarer und verdeckter Merkmale auf, unter denen die betroffenen Tiere leiden müssen.

Die nur auf Englisch vorhandene Webseite „dogbreedhealth.com“ gibt Tipps bei der Anschaffung von Hunden und listet viele verschiedene Rassen und deren Risiken auf.

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Der Verein Qualzucht Evidenz Netzwerk (qualzucht-evidenz-netzwerk.de) macht Öffentlichkeits- und Pressearbeit. Dem Verein kann man beitreten oder man kann ihn mit Spenden unterstützen.

Warum kann man trotz Verbots immer noch Qualzuchten erwerben?

Viele Züchter fallen, da sie es nur als Nebenerwerb tun, laut Anne Zinke durch das Raster. Auf diese werden die Behörden nur durch Anzeigen oder andere öffentliche Hinweise aufmerksam. Qualzuchten erfüllen eine Publikumsnachfrage. In Zeiten der Individualisierung spielten Hunde und Katzen als Tröster eine immer größere Rolle, sagt Tierpathologe Achim Gruber. „Damit kann man sehr viel Geld verdienen.“

Interessenten hielten manchmal gezielt Ausschau nach Merkmalen, die sich letztlich als nachteilig für die Tiere erwiesen. Zum Beispiel könne man extrem kleine Hunde leicht transportieren und unterbringen. Also steigt die Nachfrage nach kleinen Tieren. Der filigrane Kiefer dieser Hunde hat aber weniger Knochensubstanz, was ihn anfälliger für gelockerte Zähne und Knochenverlust macht. Dabei sei die schon unter den Tierschutz fallenden Qualzuchten gar nicht so sehr das Problem. Es komme darauf an, dass der Tierschutz mehr Merkmale, die Schäden verursachen, in die gesetzlichen Auflagen mit aufnähme. Hier gibt es eine Grauzone.

Sollte es überhaupt keine „Rassen“ mehr geben?

So eng sieht es der Tierpathologe und Qualzuchtexperte Achim Gruber nicht. „Wir müssen unser Verständnis von Rasse ändern“, fordert er. Die sogenannte Reinheit der Rasse müsse aufgehoben werden. Die sei – wie die Rasse selbst – ein soziales Konstrukt. Züchterverbände legten fest, welche Merkmale eine von ihnen anerkannte Rasse haben müsse und diese würden dann immer genauer – meist durch Inzucht – erzeugt. Beim kleinen Cavalier King Charles Spaniel, der wegen seiner kindlichen Erscheinungsweise äußert attraktiv wirkt, wurden so durch Inzucht Genschäden angehäuft. Jetzt haben viele Tiere eine degenerierte Herzklappe. Auch eine Missbildung des Gehirns ist bei ihnen verbreitet. Aber so wie durch immer mehr „Reinheit“ Qualzuchten erzeugt werden, können sie auch wieder abgemildert werden.

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Die Nasen der Möpse können durch Kreuzungen mit anderen Hunden länger und gesünder werden. Dies ist zum Beispiel beim Retromops der Fall. Von der derzeitig 356 existierenden offiziellen Hunderassen gibt es laut Gruber derzeit „zig“ Rassen, die durch ihre letztlich willkürlich ausgewählten Merkmale zum Leiden oder gar einem frühen Tod bestimmt sind. „Es geht um Merkmale, nicht um Rassen“, sagt Gruber. Wenn die Tiere andere Merkmale hätten, wären sie auch gesünder.

MAZ

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