Mit dem EX30 platziert Volvo ein für den urbanen Geschmack konzipiertes Lifestyle-Kompakt-SUV mit elektrischem Antrieb. ntv.de hat den im Scandi-Chic gehaltenen Stadtflitzer schon gefahren.
Moment, habe ich wirklich Stadtflitzer geschrieben? Der Volvo EX30 sieht so verdammt erwachsen aus. Und tatsächlich handelt es sich um ein recht kompaktes Fahrzeug mit lediglich 4,24 Metern Außenlänge. Wussten Sie eigentlich, dass der Skandinavier ein Mischling ist? Die hier eingesetzte, vom Mutterkonzern Geely entwickelte Plattform hört auf den Namen “SEA” (Sustainable Experience Architecture) und dient auch als Basis für den Smart #1, dessen Abmessungen und Radstand allerdings leicht abweichen. Daran sieht man sehr schön, wie unterschiedlich Autos sein können mit einer einzigen gemeinsamen Basis.
Kein Wunder, die Gestalter haben auch wirklich ganze Arbeit geleistet, um diesem Stromer eine markante Volvo-Handschrift zu verpassen. Besonders augenfällig sind zweigeteilte LED-Rückleuchten nebst Leuchtband. Vorn schafft das Designerteam den Eyecatcher per ausgeprägter Scheinwerfer-Einheit in Thors-Hammer-Gestalt mit LED-Segmenten, die zusätzlich selbst auch noch einmal spannend gestaltet wurden. Der EX30 hat definitiv das Zeug, der Stadtauto-Legende wie einem historischen 480 das Wasser zu reichen.
Spätestens jetzt hat die Vorfreude auf den EX30 ihren Höhepunkt erreicht. Genau richtig vor dem Antritt der Fahrt. Doch entert man den Volvo, spürt man durchaus, dass es sich um ein kompaktes Fahrzeug handelt. Nicht, dass das schlimm wäre – aber der Schwede macht sich hier ehrlich, spielt nichts vor, gibt den Kleinwagen. Er sitzt eben wie ein Maßanzug, könnte man sagen. Lassen sich auch längere Reisen mit dem Beau bestreiten? Klar, das geht schon. Nur in der zweiten Reihe könnten die Reserven an Beinfreiheit mit zunehmender Körpergröße aufgebraucht werden.
Größe des Volvo EX30 liegt in seiner Ausstrahlung
Doch was dieser Volvo an Raum vermissen lässt, macht seine stylische Architektur wett. Und wer jetzt denkt, in welchem Achtziger-Film er oder sie denn gelandet sei beim Erblicken der Dekorelemente in abgewandelter Terrazzo-Optik – ha! Das ist gerade total angesagt. Ebenso wie Materialien, die aus recycelten PET-Flaschen hergestellt werden. Angeblich sind davon ziemlich viele im EX30 verarbeitet, sodass das schlechte Gewissen abgelegt werden kann, während das Fahrpedal Richtung Bodenblech sinkt.
Und dieser Prozess sollte ziemlich sorgfältig bedacht werden, denn im Falle der doppelt motorisierten Variante wüten insgesamt 428 PS an beiden Achsen. Das hat zur Folge, dass der kleine Volvo so richtig lossprintet und Landstraßentempo binnen 3,6 Sekunden erreicht. Das kann man schon als Fahrleistungs-Völlerei bezeichnen, wenngleich der Spaß bei 180 km/h volvotypisch endet. Auf Befehl des rechten Pedals reagiert der Twin bereits sofort nachdrücklich, aber dann kommt mit entsprechend programmierter Verzögerung so eine Art zweiter Wind und der Allradler legt sich so richtig ins Zeug.
Verstehen Sie jetzt den Gedanken mit dem Gewissen? Ja, der Kunde kann ja auch eine Variante mit nur einem Motor wählen. Doch der operiert immer noch mit 272 PS – ebenfalls nicht gerade ärmlich. Der dann bis zu 120 Kilogramm leichtere, aber immer noch 1,8 Tonnen wiegende EX30 hat immer noch Kraft genug, um die Passagiere in die veganen Sitze zu pressen (5,7 respektive 5,3 Sekunden bis 100 km/h).
Bedienkonzept erfordert Eingewöhnung
Einen Modus, der so eine Art Launch-Start ermöglicht, gibt es hier freilich nicht. Das ist gut – schon mal eine Funktion weniger, die auf dem prominent platzierten Touchscreen bedient werden muss. Zwar lassen sich die Features ganz gut beherrschen, aber der Umfang ist schon beträchtlich. Und immer wieder funkt einem die Assistenz dazwischen. Zwar kann das Gröbste intuitiv deaktiviert werden, aber nutzt man den aktiven Tempomat (der indes mit geschmeidiger Längsregelung verwöhnt), vibriert es hier und da immer noch im Lenkrad.
Apropos Lenkrad: Die dort angebrachten Tasten haben beim Testwagen nur auf jeden zweiten Druck reagiert. Aber das muss ja nicht grundsätzlich so sein. Störend ist jedoch, dass die optischen Kommandos einer laufenden Navigation nicht mehr gezeigt werden für die Dauer, während man andere Dinge am Screen macht. Das ist nun einmal der Preis für den von manchen Kunden gewünschten optisch schicken Kniff, auf ein separates Kombiinstrument zu verzichten.
Bleibt die Frage, wie tief man für den zugegebenermaßen ziemlich stylischen Volvo in das Portemonnaie greifen muss. Mindestens 36.590 Euro werden für den Single-Motor fällig, der Twin bittet mit 48.490 Euro zur Kasse. Nicht wenig Geld für wenig Auto, sofern man sich auf die Abmessungen kapriziert. Allerdings werden sämtliche Modelle auch nächstes Jahr noch gefördert mit 3000 Euro vom Bund sowie 1500 Euro Herstelleranteil.
Was die batterie- und ladespezifischen Fähigkeiten angeht, ist der EX30 aber recht solide aufgestellt. So lässt sich sein Akku mit bis zu 153 kW bestromen (gilt jedoch nur für den 69-kWh-Akku). Das ist so gar nicht übel für das Fahrzeugsegment. Und eine Ladung von 10 auf 80 Prozent beziffert der Hersteller mit bloß 26 Minuten. Ist der Akku voll, soll der Saft der großen Batterie beim Single-Motor für 476 Kilometer WLTP-Reichweite langen. Das doppelmotorige Performance-Modell schafft immerhin noch 450 Kilometer. Entscheidet sich der Kunde für die Version mit kleinem Akku, kommt er 344 Kilometer weit.
Abstriche machen müssen EX30-Kunden jedoch beim Thema Praxistauglichkeit. Ist ja schön, dass der Schwede einen kleinen Kofferraum unter der Fronthaube beherbergt (sieben Liter) – aber in das klassische Gepäckabteil passt eher wenig. Selbst nach Umklappen der Rücksitzlehne sind es bloß 904 Liter. Dafür hat der EX30 bereits in der Grundausstattung eine recht komplette Ausstattung inklusive umfangreicher Assistenz, LED-Scheinwerfer, Navi, Parkpiepser hinten samt Bremsfunktion, falls man weiter in Richtung Hindernis rollt und Schließsystem mit innovativer NFC-Karte.
Gemein ist, dass für die einmotorige Variante keine Wärmepumpe lieferbar ist – auch nicht gegen Aufpreis. Höhere Ausstattungslinien kommen dann mit Annehmlichkeiten wie einem 22 kW-Charger für Wechselstrom (schön, wenn man Zugang zur entsprechenden Ladesäule besitzt), elektrischer Heckklappe und Panorama-Glasdach. Nicht ausgeschlossen, dass der Schwede so manchen Fan findet.