Der Anteil adipöser Menschen nimmt weltweit zu. Vor allem in den Industrieländern haben immer mehr Frauen und Männer einen Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30 Punkten und gelten damit nach WHO-Kriterien als adipös; die Übergewichtsraten in Industrienationen liegen laut Statista teils weit über 60 Prozent.
Neben der persönlichen Last für die Betroffenen hat der Trend auch volkswirtschaftliche Folgen, denn Übergewicht verursacht hohe Kosten. Zu Buche schlagen neben den direkten Behandlungs- und Arzneimittelkosten indirekte Kosten wie Produktionsausfall oder vorzeitige Verrentung. Die Ausgaben belaufen sich laut Statista-Prognosen weltweit auf über zwei Billionen US-Dollar (2025), könnten sich bis zum Jahr noch 2035 verdoppeln.
Um den Trend zu stoppen und die Ausgaben für das Gesundheitswesen zu senken, muss das Gewicht runter – da sind sich die Kostenträger einig. Mit dem Hype um Abnehmpräparate scheinen sich hier neue Möglichkeiten zu eröffnen. Inzwischen wird in mehreren Ländern diskutiert, die Abnehmpräparate zu erstatten. So schlug US-Präsident Joe Biden unlängst vor, Abnehmpräparate ab 2026 für Millionen von Amerikanern zugänglich zu machen, um Fettleibigkeit zu bekämpfen und damit verbundene Gesundheitskosten zu senken. Auch in England gibt es Pläne, dass der National Health Service (NHS) Abnehmspritzen für Adipöse finanziert.
Kassen: Wirtschaftspolitik von Gesundheitsversorgung trennen
In Deutschland fällt das Argument der langfristigen Kostensenkung dagegen noch nicht ins Gewicht. Abnehmpräparate fallen unter die so genannte »Lifestyle-Regelung« und werden grundsätzlich nicht erstattet; so sieht es § 34 Absatz1 SGB V vor. Ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands stellte sich jetzt hinter diese Regelung.
So seien Aspekte der Wirtschafts- und Industriepolitik einschließlich der Erforschung und Förderung neuer Arzneimitteltherapien strikt zu trennen von der Gesundheitsversorgung der Versicherten und ihren Beitragsgeldern, so der Sprecher zur PZ. Der Leistungskatalog der Kassen müsse weiterhin an den Prinzipien des SGB V, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, Solidarität und Eigenverantwortung, ausgerichtet sein.
In Stein gemeißelt sind die Vorgaben aber nicht, darauf wies Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, gegenüber der PZ hin. Bevor der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) prüfen könne, wie die Präparate eingesetzt werden könnten, solle § 34 SGB V »angeschaut« werden. Nach aktuellem Stand plant das Bundesgesundheitsministerium (BMG) derzeit aber keine Änderung.
Grundsätzlich, so Ullmann weiter, sei schwere Adipositas eine Krankheit und kein reines Lifestyle-Problem. Die wissenschaftlichen Daten deuteten darauf hin, dass die so genannten Abnehmspritzen bei schwerer Adipositas am Ende sogar Kosten sparten – eben weil Adipositas ein Risikofaktor für schwerwiegende chronische Erkrankungen sei. Zudem könnten die behandelten Menschen im Arbeitsleben bleiben beziehungsweise wieder eingebunden werden.
Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, wünscht sich hier mehr Flexibilität im Gesundheitssystem. »Für besonders schwere Fälle sollte eine Erstattung durch die Krankenkasse diskutiert werden – zumal moderne Medikamente eine komplizierte und teure OP vermeiden können«, so Sorge auf PZ-Anfrage. Für Betroffene, die durch eine genetische Veranlagung oder infolge einer Krankheit unter Adipositas leiden, könnten die neuen Medikamente »ein echter Befreiungsschlag« sein.