“Stell dir einfach vor, dein Sättigungsgefühl tritt dreimal früher ein, als du es kennst.” So wirke die Abnehmspritze Wegovy, erzählt Sebastian im Podcast “Intimbereich” von 1LIVE. Seit dem Frühjahr nehme er das Medikament, weil er “das ein und andere Kilo” habe, “das ich gern loswerden würde“.
Abnehmspritzen wie Wegovy und Mounjar, die den Markt beherrschen, liegen voll im Trend. Aber sie sind höchst umstritten. Was man dazu wissen muss:
Was ist eine Abnehmspritze?
Wegovy und Mounjaro sind Medikamente, die dabei helfen sollen, abzunehmen und das Gewicht zu halten.
Man spritzt sie sich regelmäßig und dauerhaft selbst. Die Spritze erhält man als Fertig-Pen, der wie ein Stift aussieht und leicht zu bedienen ist. Parallel dazu soll man sich kalorienreduziert ernähren und viel bewegen.
Wie funktioniert die Spritze?
Der Wegovy-Wirkstoff Semaglutid ist schon lange als Diabetes-Medikament Ozempic auf dem Markt. Er imitiere die Wirkung eines Darmhormons, das nach dem Essen freigesetzt werde, erklärt Matthias Laudes von der Deutschen Adipositas Gesellschaft.
Das Hormon führe dazu, dass Insulin produziert werde, sagt der Mediziner. Das ist wichtig für Diabetiker. Gleichzeitig sorge es im Gehirn für ein Sättigungsgefühl. Das ist nützlich für Adipositas-Erkrankte, also stark Übergewichtige. Ähnlich funktioniert der Mounjaro-Wirkstoff Tirzepatid.
Wie wirksam sind die Abnehmspritzen?
Er habe schon viele Abnehmmittel ausprobiert, berichtet Wegovy-Nutzer Sebastian. Aber erst dieses sei bei ihm wirklich “wirksam“.
Ganz besonders wirksam war die Abnehmspritze bei Israel McKenzie, der im US-Bundesstaat Tennessee lebt. Wegovy habe ihm dabei geholfen, in neun Monaten 50 Kilo abzunehmen, berichtet er.
Studien bescheinigen den Abnehmspritzen eine hohe Wirksamkeit. Genau wie bei anderen Medikamenten sind aber auch Nebenwirkungen möglich. Neben Übelkeit komme es zu Beginn der Therapie häufig zu weiteren Magen-Darm-Beschwerden wie Erbrechen, Durchfall und Verstopfung, sagt Diabetes-Experte Karsten Müssig von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.
Seltene Nebenwirkungen seien eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse und Darmverschluss. “Deshalb sollte die Behandlung nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen“, mahnt Müssig.
Die Erfahrungen vieler Patientinnen und Patienten sind jedenfalls positiv. Wegovy hat geradezu einen Hype ausgelöst. Arznei-Hersteller Novo Nordisk aus Dänemark verzeichne insbesondere wegen seines Abnehmmedikaments enorme Umsätze, berichtet Louisa Schmidt aus der WDR-Wirtschaftsredaktion. Auch der Börsenwert von Mounjaro-Hersteller Eli Lilly aus den USA sei “durch die Decke gegangen“.
Sind Abnehmspritzen rezeptfrei zu haben?
Nein, sie sind rezeptpflichtig. Wer im Internet nach Abnehmspritzen sucht, wird schnell an Online-Termine mit Ärzten herangeführt. Das Versprechen: Hier bekomme man leicht ein Rezept, sofern man darlegen könne, dass man übergewichtig sei. Ob es bei solchen Angeboten aber ausreichend ärztliche Kontrolle gibt, ist fraglich.
Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?
Die Krankenkasse zahlt nur bei Diabetes. Bei Adipositas muss man die Kosten selbst tragen. Das sind etwa 300 Euro im Monat. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat Wegovy als “Lifestyle-Arzneimittel” gelistet. Damit werden die Kosten für die Abnehmspritze von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. Bei solchen “Lifestyle-Arzneimitteln” steht nicht die Behandlung einer Krankheit im Vordergrund, sondern die Erhöhung der Lebensqualität.
Würden die Kassen die Kosten tragen, könnten riesige Summen auf sie zukommen. In Deutschland sind laut Robert Koch-Institut mehr als die Hälfte der Menschen übergewichtig – fast ein Fünftel leidet an Adipositas. Andererseits könnten die Krankenkassen auch Kosten einsparen, wenn Menschen mit Adipositas ihr Gewicht reduzieren würden.
Das Problem bei Abnehmspritzen wie Wegovy: Man müsse sie dauerhaft nehmen, sagt Christina Sartori von der WDR-Wissenschaftsredaktion Quarks. “Wenn man das Mittel nicht mehr nimmt, dann wirkt es auch nicht mehr.”
Bei etwa 300 Euro im Monat kommt da viel Geld zusammen. Wahrscheinlich ist aber, dass in Zukunft mit dem Auslaufen der Patente die Preise deutlich fallen werden.
Was hat es mit Lieferengpässen auf sich?
Wegen der gleichzeitigen Nutzung als Abnehmmittel kam und kommt es beim Diabetes-Medikament Ozempic zu Lieferengpässen. Das bereitet betroffenen Diabetikern große Sorgen.
Auch bei der Abnehmspritze Wegovy, die denselben Wirkstoff enthält, sei die Nachfrage größer als die Produktion, sagt Adipositas-Experte Laudes. Die Folge: Der Schwarzmarkt boomt. Doch dort sollte man keinesfalls solche Präparate kaufen, warnt die europäische Arzneimittelbehörde EMA. Das Risiko: Produktfälschungen mit unbekannten Wirkungen und Nebenwirkungen.
Unsere Quellen:
- Podcast “Intimbereich” von 1LIVE
- Louisa Schmidt, WDR-Wirtschaftsredaktion
- Christina Sartori, WDR-Wissenschaftsredaktion Quarks
- Nachrichtenagenturen dpa und AP
- Gemeinsamer Bundesausschuss
- Robert Koch-Institut
Über dieses Thema berichteten wir am 17.07.2024 auch im “Morgenecho” bei WDR 5.